7. Jahrestagung, 9.-12. September 2004
Die Analyse der europäischen Rede von Amerika konnte erhellen, wie die künstlerische und kulturpolitische Thematisierung des Objekts und der Idee Amerika als reflexives und rhetorisch inszeniertes Argumentverfahren für die jeweils eigenen politischen, ästhetischen und weltanschaulichen Debatten verwendet und strategisch funktionalisiert worden ist. Auf diese Weise, durch die Analyse der - so Todorov - "Entdeckung des Anderen durch das Ich" im Laufe des Amerika-Diskurses konnte die Projektarbeit die intendierte oder überraschende Veränderung der Zuschreibungen mitverfolgen, denen dieses Ich durch jenes Andere, der eigene Diskurszusammenhang durch seinen reflexiven Umweg über den Amerika-Diskurs ausgesetzt ist. Die Debatten und Befunde der BTWH-Gruppen zu diesem Thema legten nahe, einerseits die Mehrdimensionalität der Problematik am konkreten Beispiel gegen die verbreiteten binären oder kontrafaktischen Modelle neu zu profilieren, um auf diese Weise, andererseits, auch die Zusammenhänge von Identitätskonstitution und potentieller Transgression durch das erlebte oder phantasierte Andere begrifflich präziser zu fassen.
Der Anspruch an Verfahren kultureller Selbstkonstitution steigt mit dem Grad der Widersprüchlichkeit bzw. Uneindeutigkeit des potentiellen ‚Anderen' (vgl. Zygmunt Bauman, Moderne und Ambivalenz, 1997). Aus diesen Überlegungen heraus fiel unsere Wahl des aktuellen Jahresthemas 2004 auf den Diskurs der ‚Blackness', einer für die Fokussierung der europäischen Wahrnehmung Amerikas nur scheinbar marginalen Konfiguration. Blackness (als Konzept des Anderen in Rasse, Herkunft und Kultur) fungiert dabei als Repräsentation Amerikas im Sinne eine kulturellen Antipoden ebenso wie eines experimentellen Zukunftsraums und steht somit für konfligierende europäische Zuordnungsschemata wie kapitalistischen Wohlstand und Ausbeutung, Zivilisation und Primitivismus gleichermaßen ein. In paradigmatischen Kontexten wie der Jazz- und Entertainment-Kultur der 20er Jahre oder der Begegnung der Nachkriegsdeutschen mit farbigen Angehörigen der US-Armee lassen sich spezifische Wahrnehmungsmuster erkennen, die ein widersprüchliches Netz von Faszinations- und Bedrohungsgefühlen, Idealisierungs- und Nivellierungstendenzen etablieren. Scheint der Blick auf den farbigen Körper einerseits mit dem Versuch verknüpft zu sein, die eigene Wahrnehmung von Fremdheit als kulturell bedingt zu erkennen, so ist es andererseits gerade diese Korporalität des Wahrgenommenen, die immer wieder fragmentarische Assoziationen von Kolonialismus oder Exotismus aufzurufen scheint. Der Andere, der sich als Vertreter des Heterogenen diskursiv nicht zuordnen läßt, wird so als Fremder stets aufs Neue (re )konstituiert.
Ort: Harvard University
Jahresthema 2003/04: Blackness